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Was wir heute in unserem pragnanten Sinne Wissenschaft nennen, ist nicht Wissenschaft im historisch altesten Sinne einer 5 naiv geradehin sich vollziehenden Auswirkung der theoretischen Vernunft. Nur noch in einem laxen Sinne nennen wir die Philo- sophien der vorplatonischen Epoche, nennen wir ahnliche Kultur- gestaltungen anderer Volker und Zeiten Wissenschaften. Nur als Vorformen, Vorstufen der Wissenschaft lassen wir sie gelten. 10 Wissenschaft in einem neuen Sinne erwachst zunachst aus der platonischen Begriindung der Logik, als einer Statte der Erforschung der Wesenserfordernisse "echten" Wissens und "echter" Wissenschaft und damit der Herausstellung von N or- men, denen gemaB eine bewuBt auf durchgangige N ormgerech- 15 tigkeit abzielende Wissenschaft, eine ihre Methode und Theorie bewuBt rechtfertigende aufgebaut werden konne. Der Intention nach ist diese logische Rechtfertigung durchaus eine solche aus reinen Prinzipien. Wissenschaft im p I a ton i s c hen Sinne will also nicht mehr bloB naive Betatigung aus rein theoretischem 20 Interesse sein. J eden Schritt, den sie tut, beansprucht sie auch prinzipiell in seiner Echtheit, in seiner notwendigen Giiltigkeit zu rechtfertigen. Also der urspriingliche Sinn ist dabei der, daB prin- zipielle logische Einsicht, die aus der reinen Idee moglicher Erkenntnis und Erkenntnismethode iiberhaupt geschOpfte, der 25 faktisch betatigten Methode und faktischen Wissenschaftsge- staltung vorangeht und sie praktisch leitet, nicht aber, daB das Faktum einer irgendwie in Naivitat erwachsenen Methode und Wissenschaft sich als Norm ausgeben diirfte, urn wissenschaft- liches Leisten rechtmaBig zu gestalten.

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6 werden kann, musste die Einsicht erwecken, dass das Quantitative gar nicht zum allgemeinsten Wesen des Mathematischen oder "Formalen" und der in ihm grundenden kalkulatorischen Me- thode gehore. Als ich dann in der "mathematisierenden Logik" 5 eine in der Tat quantitatslose Mathematik kennenlemte, und zwar als eine unanfechtbare Disziplin von mathematischer Form und Methode, welche teils die alten Syllogismen, teils neue, der Uberlieferung fremd gebliebene Schlussformen behandelte, gestalteten sich mir die wichtigen Probleme nach dem allgemei- 10 nen Wesen des Mathematischen uberhaupt, nach den naturlichen Zusammenhangen oder etwaigen Grenzen zwischen den Systemen der quantitativen und nichtquantitativen Mathematik, und spe- ziell z. B. nach dem Verhaltnis zwischen dem Formalen der Arithmetik und dem Formalen der Logik. Naturgemass musste 15 ich von hier aus weiter fortschreiten zu den fundamentaleren Fragen nach dem Wesen der Erkenntnisform im Unterschiede von der Erkenntnismaterie und nach dem Sinn des Unter- schiedes zwischen formalen (reinen) und materialen Bestimmun- gen, Wahrheiten, Gesetzen.
20 Aber noch in einer ganz anderen Richtung fand ich mich in Probleme der allgemeinen Logik und Erkenntnistheorie ver- wickelt. Ich war von der herrschenden Uberzeugung ausgegangen, dass es die Psychologie sei, von der, wie die Logik uberhaupt, so die Logik der deduktiven Wissenschaften ihre philosophische 25 Aufklarung erhoffen musse. Demgemass nehmen psychologische Untersuchungen in dem ersten (und allein veroffentlichten) B- de meiner Philosophie der Arithmetik einen sehr breiten Raum ein. {[A VII] Diese psychologische Fundierung wollte 11 mir in gewissen Zu- [B VII] sammenhangen nie recht genugen.

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Der Herausgeber dieses Jahrbuchs hat geglaubt, mit derVerof- 5 fentlichung der seit dem Erscheinen des ersten Bandes eingelaufenen und zum Teil schon im Herbst 1913 in den Druck gegebenen Arbei- ten nieht Hinger zogern zu diirfen. So viele geistige Krafte dieser unheilvolle Krieg fesselt und leider auch zerstort, wirklich unterbin- den kann und wird er das deutsche Geistesleben nieht. Nach wie vor 10 ist es beseelt von der ererbten Liebe zu den Ewigkeitswerten der Kultur, und immerfort wirkt es sich aus in treuer Arbeit an ihren groBen Aufgaben. 1m besonderen unsere phanomenologische Philo- sophie hat nicht geruht, auch ist ihr unverkennbar das warme Inter- esse wissenschaftlicher Kreise erhalten geblieben. So diirften die bei- 15 den Bande, in die wir die bereitliegenden Arbeiten verteilt haben, nieht unwillkommen geheiBen werden. Die neuen Jahrbuchsarbeiten unterscheiden sieh ganz so wie die des ersten Bandes nieht nur durch ihre Themen, sondern auch durch die merklich nuancierten Auffas- sungen, die sieh ihre Verfasser iiber Ziele, Methoden und mancherlei 20 Einzelfragen der phlinomenologisehen Forsehung gebildet haben. Es brauchte eigentlich nieht gesagt zu werden und muG es doeh ange- siehts vorgekommener MiBverstlindnisse, daB der Herausgeber nur fiir seine eigenen Arbeiten die Verantwortung iibernimmt so wie jeder Mitarbeiter fiir die seinen. Sieherlieh ist die innere Gemein- 25 samkeit der "Phanomenologen" darum doch keine geringere, ja eher eine groBere als innerlhalb irgendwelcher sonstigen Forschungs- [VI] gemeinschaften, z. B. der der Experimental-Psychologen.

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ihr Wesen, iiber die Eigenart ihres Gebiets ins klare zu kommen, das ist in der Tat eins der Hauptstiicke und Grundstiicke der Erkennt- nistheorie, wie sich ohne weiteres begreift aus der allumspannenden Weite der rein logischen Begriffe und der normativen Anwendung 5 der formallogischen Gesetze. Das formallogische Denken, das analytische im pragnantesten Sinn des W ortes, ist nach meinen Logischen Untersuchungen ein Denken auf Grund bloBer Bedeutungen. Es bezieht sich auf aIle und jede Gegenstandlichkeit (mag sie eine reale sein oder nicht) darum, 10 weil Gegenstande iiberhaupt fUr das Denken Gegenstande nur sind durch sein Bedeuten und weil Gesetze, die im Wesen der Bedeutun- gen als solcher, die also in ihren wesentlichen Arten oder Formen griinden, notwendig fUr aIle bedeutungsmaBig so und so gefaBten bestimmten Gegenstandlichkeiten gelten miissen. 15 Da tritt uns also gleich zu Anfang der Begriff der Bedeutung e- gegen, der nun freilich so allerlei bedeuten kann und der KIarlegung allergroBte Schwierigkeiten bietet.
Ihm werden wir und den mit ihm zusammenhangenden Begriffen und Phanomenen umfassende Be- trachtungen zuwenden; solche Betrachtungen sind iibrigens auch, 20 unabhangig von dem Interesse an der klaren Bestimmung des Sinnes formaler Logik, fUr die Logik selbst und die Erkenntniskritik von selbstverstandlicher und aIlergroBter Wichtigkeit. So werden ver- schiedene, obschon nahe zusammenhangende Interessen ihre Befrie- digung finden konnen, und darauf habe ich es urn so mehr abgese- 25 hen, als ich ja weiB, welche Bemiihungen meine jungen Freunde in der Philosophischen Gesellschaft in den beiden letzten Semestern den Bedeutungsproblemen in ihren Diskussionen zugewendet haben.

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The present work unites those of Husserl's essays and addresses of the years 1923-1937 that have not yet been incorporated in the Husserliana. It thus closes the collection of Husserl's lesser writings, begun in Volume XXII and continued in Volume XXV. The title Aufsatze here incorporates all the minor texts published by Husserl himself that appeared during the given time span, and that are included in the Herman L. Van Breda bibliography. They have been complemented by various pieces that Husserl prepared for the press during the relevant period, but which did not appear. The major contributions in this book are formed by the contributions that Husserl published in the Japanese journal The Kaizo during the years 1923-1924, and his oft-quoted essay ``Phanomenologie und Anthropologie'', and the ``Prager Abhandlung'', prepared in 1934.

Book 28

stufe oder Unterstufe im emporsteigenden Gang zur absoluten Er- kenntnis gewinnen. Man kann sagen, daB das philosophisehe Interesse in vollbe- wuBter Weise als leitendes Ziel das vor Augen hat, was sieh in jedem 5 rein theoretisehen Interesse als gleiehsam verborgene Tendenz be- kundet: Die Tendenz auf vollkommene Erkenntnis liegt in allem rein theoretisehen Bestreben. a) Immerfort ftihlt es sieh fortgetrieben im Sinne mOgliehster Verdeutliehung, Klarung, mogliehst vollkom- mener Begriindung. b) Immerfort ftihlt es sieh mit der vereinzelten 10 Tatsaehe, mit dem vereinzelten Gesetz unbefriedigt; es kann daran nieht haften bleiben. Es ftihlt sich gedrangt, von dem Besonderen emporzusteigen zum Allgemeineren, von der Tatsaehe zum Gesetz, von der niederen Allgemeinheit zu der hoheren. Damit nieht zufrie- den, muB es aIle mogliehen theoretisehen Lehren durehlaufen, um- 15 spannende Theorien bauen, die Theorien zu umfassenden Theorien verbinden, und so immer weiter. Dabei erweitert sieh der enge Kreis der yom theoretisehen Interesse zunaehst ins Auge gefaBten Gegen- standliehkeiten; Einheit der theoretisehen Erkenntnis greift immer weiter von Gebiet zu Gebiet, ohne Grenze. 20 Bringen wir uns diese Tendenzen zur Klarheit, so sehen wir, daB sie im Verborgenen dem Ziel der hoehsten Vereinheitliehung die- nen, daB sie verstreuten, zusammenhangslosen Erkenntnissen feind sind, daB sie gleiehsam niehts Untheoretisehes, Unvereinheitlichtes dulden wollen ebensowenig als ein Ende, soweit irgend noeh ein plus 25 ultra denkbar ist. Und zu alledem gehort offenbar aueh die Tendenz zu voll ausweisender Klarheit.

Book 30

Veroeffentlicht wird in dem vorliegenden Husserliana-Band die letzte Textfassung einer Vorlesung, die Husserl erstmals im Wintersemester 1910/11 unter dem Titel `Logik als Theorie der Erkenntnis' gehalten hat. Aufbauend auf dem in seinen Vorlesungen `Einleitung in die Logik und Erkenntnistheorie' von 1906/07 (Husserliana XXIV) und `Grundprobleme der Ethik' (Husserliana XXVIII) Erarbeiteten, entfaltet Husserl in der hier veroeffentlichten Vorlesung von 1910/11 die allgemeine Idee der Wissenschaftstheorie systematisch auf der Grundlage der Bestimmung der obersten Seinsregionen.
Grundstuck der apriorischen Wissenschaftstheorie ist die systematische Formenlehre der Bedeutungen und des Urteils, die Husserl in dem umfangreichen II. Abschnitt der Vorlesung darstellt. Diese konkreten Ausfuhrungen einer Formenlehre, deren Veroeffentlichung Husserl verschiedentlich in Aussicht gestellt hat, ohne dass es jedoch zu seinen Lebzeiten dazu gekommen ist, werden hier der OEffentlichkeit zum ersten Mal zuganglich gemacht.

Book 31

Der vorliegende Erganzungsband zu Husserliana Band XI Analysen zur passiven Synthesis enthalt den letzten Teil der ursprunglichen Fassung der Vorlesung uber "Transzendentale Logik" vom Wintersemester 1920/21, deren Hauptteil in Band XI veroffentlicht wurde. Diese Vorlesung spielt eine wichtige Rolle in der Entwicklung von Husserls Philosophie. Sie markiert den Ubergang zur genetischen Phanomenologie, und sie ist Husserls erster durchgefuhrter Entwurf einer transzendentalen Logik. Der hier veroffentlichte Teil der Vorlesung diente Ludwig Landgrebe als Grundlage fur die Ausarbeitung von Erfahrung und Urteil. Durch den vorliegenden Erganzungsband wird die ursprungliche Fassung dieser Vorlesung in ihrer Gesamtheit zuganglich gemacht. Dadurch werden die Analysen zur passiven Synthesis in ihren ursprunglichen transzendental-logischen Zusammenhang gestellt.

Book 31

Der vorliegende Erganzungsband zu Husserliana Band XI Analysen zur passiven Synthesis enthalt den letzten Teil der ursprunglichen Fassung der Vorlesung uber `Transzendentale Logik' vom Wintersemester 1920/21, deren Hauptteil in Band XI veroeffentlicht wurde. Diese Vorlesung spielt eine wichtige Rolle in der Entwicklung von Husserls Philosophie. Sie markiert den UEbergang zur genetischen Phanomenologie, und sie ist Husserls erster durchgefuhrter Entwurf einer transzendentalen Logik. Der hier veroeffentlichte Teil der Vorlesung diente Ludwig Landgrebe als Grundlage fur die Ausarbeitung von Erfahrung und Urteil. Durch den vorliegenden Erganzungsband wird die ursprungliche Fassung dieser Vorlesung in ihrer Gesamtheit zuganglich gemacht. Dadurch werden die Analysen zur passiven Synthesis in ihren ursprunglichen transzendental-logischen Zusammenhang gestellt.

Book 32

Natur Und Geist

by Edmund Husserl and Michael Weiler

Published 31 January 2001
Die Konstitution von Natur und Geist und die Klarung ihres Verhaltnisses zueinander als Seins- und als Wissenschaftsregionen bildet eines der Hauptthemen von Husserls Philosophie. Die letzte grose Auseinandersetzung mit dieser Problematik stellt die im vorliegenden Husserliana-Band veroffentlichte "Natur und Geist"-Vorlesung vom Sommersemester 1927 dar. In keinem anderen Text hat Husserl so unfassend versucht, uber verschiedene Modelle philosophischer Wissenschaftsklassifikationen einen Zugang aur Losung der "Natur und Geist"-Problematik zu finden. Im Ausgang von wissenschaftskritischen Erorterungen und dem Streit der Natur- und Geisteswissenschaftler um das Verhaltnis ihrer Wissenschaften zueinander gelangt Husserl zu den unterschiedlichen Klassifikationsmodellen fur die Wissenschaften. In kritischer Abhebung von diesen Modellen, insbesondere von der Wissenschaftsklassifikation der Neukantianer Windelband und Rickert, versucht er dann auf seinem eigenen Weg uber die Beschreibung des allgemeinen Stils der Erfahrungswelt zu ihren a priori notwendigen Strukturen und korrelativ dazu der prinzipiellen Wissenschaftsklassifikation zu gelangen.

Book 33

In den "Bernauer Forschungsmanuskripten" nimmt Husserl seine fruhere, in Husserliana Band X dokumentierte Phanomenologie der formalen Struktur des inneren Zeitbewusstseins neu auf. Dabei stehen die Fragen, welche die Anwendung des Schemas "Auffassung - Auffassungsinhalt" auf das Zeitbewusstein und die Gefahr des unendlichen Regresses betreffen, noch immer im Vordergrund. Es ergeben sich aber auch entscheidende neue Einsichten. Diese betreffen vor allem das auf die Zukunft gerichtete "protentionale" Zeitbewusstsein in seiner Verflechtung mit der "Retention" der Vergangenheit sowie eine spezifisch noematische Bestimmung der Zeitmodalitaten, die zu einer neuen Phanomenologie der Individuation fuhrt. Auch dem Zusammenhang zwischen zeitlichem Urstrom und ichlicher Zeitigung widmet Husserl erstmals eingehende Untersuchungen. Insgesamt handelt es sich bei den vorliegenden Nachlasstexten um eine Phanomenologie des Zeitbewusstseins in einer neuen, "genetischen" Perspektive, die sich nicht nur am Paradigma der Wahrnehmung orientiert, sondern auch den Akten der Erinnerung und der Phantasie Aufmerksamkeit schenkt.

Book 33

In den Bernauer Forschungsmanuskripten nimmt Husserl seine fruhere, in Husserliana Band X dokumentierte Phanomenologie der formalen Struktur des inneren Zeitbewusstseins neu auf. Dabei stehen die Fragen, welche die Anwendung des Schemas `Auffassung - Auffassungsinhalt' auf das Zeitbewusstein und die Gefahr des unendlichen Regresses betreffen, noch immer im Vordergrund. Es ergeben sich aber auch entscheidende neue Einsichten. Diese betreffen vor allem das auf die Zukunft gerichtete `protentionale' Zeitbewusstsein in seiner Verflechtung mit der `Retention' der Vergangenheit sowie eine spezifisch noematische Bestimmung der Zeitmodalitaten, die zu einer neuen Phanomenologie der Individuation fuhrt. Auch dem Zusammenhang zwischen zeitlichem Urstrom und ichlicher Zeitigung widmet Husserl erstmals eingehende Untersuchungen. Insgesamt handelt es sich bei den vorliegenden Nachlasstexten um eine Phanomenologie des Zeitbewusstseins in einer neuen, `genetischen' Perspektive, die sich nicht nur am Paradigma der Wahrnehmung orientiert, sondern auch den Akten der Erinnerung und der Phantasie Aufmerksamkeit schenkt.

Book 34

Der vorliegende Band bietet eine reprasentative Auswahl der wichtigsten Forschungsmanuskripte zur Methode der transzendental-phanomenologischen Reduktion aus Husserls Spatwerk. Werkgeschichtlich orientiert sich diese Edition an den Arbeitsphasen ab 1926, in denen Husserl wiederholt ein `System der Phanomenologie' bzw. ein phanomenologisches Grundwerk zu verfassen beabsichtigte. In den chronologisch angeordneten Texten, die Husserl im Rahmen seiner Manuskriptordnung vom Fruhjahr 1935 einer eigenen Sektion (der `B-Gruppe' mit dem Titel 'Die Reduktion') zuwies, fuhrt er aus Vorlesungen und Forschungsmanuskripten der zwanziger Jahre bekannte Themen fort. Neben der Eroerterung verschiedener Wege zur phanomenologischen Reduktion und Strategien der Einleitung in die transzendentale Phanomenologie behandelt Husserl das Problem der Phanomenologie als einer eigenstandigen, zur intentionalen Psychologie parallelen, transzendentalen Bewusstseinswissenschaft. Hierzu gehoeren systematisch die Probleme der Unterscheidung von naturlichem und transzendentalem Ich, des UEbergangs von naturlicher zu phanomenologischer Einstellung, des Status des unbeteiligten Zuschauers sowie das Problem der `Verweltlichung' des Transzendentalen und dessen `Einstroemen' in die vorphilosophische Lebenswelt. In diesen hauptsachlich der Methodik gewidmeten Forschungsmanuskripten wird das Ganze einer phanomenologischen `Systematik' im Umriss erkennbar.

Book 35

Die im vorliegenden Band veroeffentlichte Vorlesung "Einleitung in die Philosophie" aus dem Wintersemester 1922/23 ist aus vier 1922 von Husserl in London unter dem Titel "Phanomenologische Methode und phanomenologische Philosophie" gehaltenen Vortragen hervorgegangen. Die Vorlesung befasst sich vor allem mit dem fur die Grundlegung eines philosophischen Systems zentralen Problem der Letztbegrundung.
Radikale philosophische Letztbegrundung ist gemass Husserl nur moeglich in einer sich in apodiktischer Selbstkritik bewahrenden phanomenologischen Transzendentalphilosophie. Die tatsachliche Durchfuhrung einer solchen letzten, in seinen spaten Schriften und Vorlesungstexten immer wieder geforderten Kritik, findet sich nur in der vorliegenden Vorlesung "Einleitung in die Philosophie". Mit diesem unverzichtbaren Bestandteil seiner Ersten Philosophie bringt der vorliegende Band eine wichtige Erganzung zu der in den Banden VII und VIII veroeffentlichten Vorlesung "Erste Philosophie" von 1923/24.

Book 36

Der vorliegende Band enthalt Husserls Versuche, einen Beweis fur seine These zu entwickeln, dass die Existenz realer transzendenter Objekte ohne Bezug auf ein aktuelles Bewusstsein undenkbar und also unmoeglich sei. Die fruhesten Texte, die Begrundungen fur diese These des transzendentalen oder transzendental-phanomenologischen Idealismus enthalten, stammen aus dem Jahr 1908. In ihnen erarbeitet Husserl einerseits die fur den Beweisgang wesentlichen Elemente, wie insbesondere die Unterscheidung zwischen realen und idealen Moeglichkeiten; andererseits versucht er seine These indirekt dadurch zu stutzen, dass er den Phanomenalismus und die realistische Schlusstheorie der ausseren Wahrnehmung, wonach diese in einem Schluss von unmittelbar gegebenen Sinnesdaten auf eine "an sich" bestehende reale Aussenwelt bestehe, als unhaltbar zuruckweist. Genauer und ausfuhrlicher als in diesen Forschungsmanuskripten von 1908 argumentiert Husserl in den hier veroeffentlichten Stucken zweier Vorlesungen, der Vorlesungen "Natur und Geist" (SS 1913) und "Ausgewahlte phanomenologische Probleme" (SS 1915), fur seinen transzendentalen Idealismus. Gleichwohl bleibt die Argumentation in diesen Texten abstrakt und in wesentlichen Hinsichten erganzungsbedurftig. In Texten der Folgejahre bemuht sich Husserl, diesen "formal allgemeinen" Beweis, den er einer solipsistischen "Unterstufe" des transzendentalen Idealismus zuweist, zu vervollstandigen. Es sind vor allem die von ihm bisher vernachlassigten Aspekte der Leiblichkeit und der Intersubjektivitat, die Husserl in hier veroeffentlichten Forschungsmanuskripten aus den Jahren 1914/1915 bis 1921 in seine Argumentationen mit einbezieht, indem er zeigt, dass das aktuelle Bewusstsein, auf das alle transzendenten objektiven Realitaten ihrem Sinne nach zuruckbezogen sind, ein leibliches Bewusstsein sein muss, das fur anderes leibliches Bewusstsein da ist und mit ihm auf dieselbe Realitatenwelt bezogen ist.