Book 37

Wie bestimmten Vertreter des fruhen Luthertums den historischen Ort der Reformation? Wie hing die Geschichtsschreibung des Luthertums mit seiner "konfessionellen Identitat " zusammen? Matthias Pohlig untersucht die Frage nach Argumentationsmustern eines lutherischen "Gedachtnisses" zum Zwecke der Identitatskonstruktion und die Frage nach dem Verhaltnis dieses Gedachtnisses zur Geschichtsschreibung und -theorie des 16. Jahrhunderts.Lutherische Autoren wiesen der Geschichte unterschiedliche Funktionen zu: die aus dem Humanismus ubernommene UEberzeugung, die Geschichte lehre Moral, dann die Auffassung, die Geschichte laufe entsprechend den biblischen Prophetien ab. Zentral war fur lutherische Autoren die Auffassung, dass ihre Kirche nicht neu, sondern die alte, wahre Kirche sei. Neben diese konfessionell funktionalisierten Aufgaben trat eine Beschaftigung mit der Historie zu Bildungszwecken. Die lutherische Geschichtsschreibung des 16. Jahrhunderts fand damit in einem Spannungsfeld von Gruppengedachtnis und relativ uninstrumenteller Gelehrsamkeit statt. Die lutherische Historiographie beruhte auf weithin geteilten Grundannahmen uber die heilsgeschichtliche Bedeutung der Reformation, den papstlichen Antichrist, die Hochschatzung der deutschen Kaiser sowie uber prophetisch-biblizistische Grundlagen. Der Autor arbeitet zwei Arten lutherischer Identitat im Medium der Geschichte heraus: die auf die endzeitliche Figur Luther konzentrierte Memoria und die Einordnung der Reformation in einen groesseren Zusammenhang.