Book 28

Temporary Title 19991119

by W. Biemel

Published 7 July 1969
Die folgenden Analysen stellen einen Versuch dar, von der Philosophie her Kunst zu verstehen d.h. zu deuten. Die Epoche, da der Umgang mit der Kunst sich auf ein asthetisches Betrach- ten reduzierte, ist zu Ende gegangen, was allerdings nicht besagt, dass wir nicht immer wieder in sie zuruckfallen koennen, weil diese Art des Zugangs sich unmittelbar anzubieten scheint, das Nachst- liegende ist, an den Betrachter die geringsten Anforderungen stellt. Die UEberwindung der "asthetischen" Kunstbetrachtung ge- schieht in dem Augenblick, da wir die Kunst ernst nehmen, in ihr eine Sprache sehen, in der nicht auf gewoehnliche Weise Dinge und Situationen einfach genannt werden, sondern die Art des herrschenden Weltbezuges selbst offenbar wird, allerdings in einer Art Hieroglyphenschrift, die der Deutung bedarf um versteh bar zu werden. Fur diesen Weltbezug - der sowohl den Bezug zwischen den Menschen, wie den zum nichtmenschlichen Seienden und den Bezug des Menschen zu sich selbst trag- wurde der Terminus Nahe eingefuhrt. Nahe heisst hier also keineswegs der raumliche Abstand zwischen Dingen, die be- stimmte Distanz, die messbar und in Zahlen ausdruckbar ist, sondern der immer unmessbar bleibende Grund des Weltverhalt- nisses, der eine bestimmte Epoche auszeichnet.

Book 72