Book 16

De potestate papae

by Jurgen Miethke

Published 9 October 2000
Jurgen Miethke untersucht Rahmenbedingungen der Entstehung und Wirkung politischer Theorie in der formativen Phase der lebhaften Debatte um die Amtskompetenz des Papstes in der ersten Halfte des 14. Jahrhunderts. Scholastische Universitat und Herrscherhof erweisen sich als die Foren, auf denen die Diskussionen gefuhrt wurden. Die Rolle der verschiedenen Fakultaten war die von 'Leitwissenschaften', die Sprache und Form der Debatte, Belege und Bedeutungshorizont der Texte bestimmten. Die praktischen Erfahrungen mit dem papstlichen Anspruch auf weltbeherrschende Leitung der Christenheit auch in weltlichen Belangen, wie er von einem Bonifaz VIII. droehnend verkundet und praktiziert worden war und wie er kunftig bei jedem Konflikt neu erhoben werden konnte, die konkreten Massnahmen, die beide Seiten im Streit ergriffen, erweisen sich fur die Fragestellung der Theoretiker als bestimmend. Die wichtigsten "papalistischen" Autoren (Aegidius Romanus, Jakob von Viterbo, Augustinus von Ancona oder Alvarus Pelagius) kommen in dem Buch ebenso zur Sprache wie deren Kritiker, die Verteidiger eines Eigenrechts des Staats (Johannes Quidort, Dante, Marsilius von Padua, Wilhelm von Ockham).Die damals gefuhrten Eroerterungen haben jeweils in besonderer Weise zur Entscheidungsfindung der praktischen Politik beigetragen, indem sie allen Beteiligten mit den Mitteln der damaligen Wissenschaft einen vernunftigen Horizont der Weltorientierung vermitteln wollten. Damit konnten sie den konkreten UEberlegungen im einzelnen einen sicheren Halt geben und gaben auch den Handelnden ein gutes Gewissen. Daruber hinaus wurde in diesen Debatten fur die spatere politische Theorie Grundlagenarbeit geleistet. In der Tat wurde bis in die Zeit der Reformation des 16. Jahrhunderts das Verstandnis des Verhaltnisses von Staat und Kirche hier zutiefst vorgepragt. Ein guter Teil der Probleme der Moderne ist daher in der Debatte, die in dieser Studie untersucht wird, bereits gegenwartig.

Dieser Band versammelt zwischen 1980 und 2018 erstmals erschienene Studien, die politiktheoretischen Traktaten der scholastischen Universität des Spätmittelalters gelten. Die wissenschaftlichen Experten legten ihre Texte als Resultat eigenen Nachdenkens vor, oder ihre Stellungnahmen wurden aus der politischen Praxis angefordert. Die einzelnen Texte sollen jetzt nicht in eine lineare Ideengeschichte des politischen Denkens eingegliedert werden, vielmehr soll ihr Hintergrund aus dem Bezug zu konkreten Konflikten deutlich hervortreten. Denn mit ihren Ratschlägen leistete die Scholastik einen fundamentalen Beitrag zur Formulierung und Legitimation politischer Interessen und damit zum Bewusstsein der Zeitgenossen. Die meist für die Außenwelt und nicht für die Hörsäle bestimmten Texte trugen dazu bei, eine "politische Öffentlichkeit" auszubilden, wie sie in der Neuzeit noch eine große Zukunft haben sollte.