Book 6

Durch Migrationsprozesse, aber auch im Rahmen zunehmender funktionaler Ausdifferenzierung und der Pluralisierung von Lebensstilen haben sich gerade die Großstädte zu multikulturellen Formationen - nicht nur in ethischer Hinsicht - entwickelt. Auch ist der öffentliche Diskurs in Politik und Wissenschaft häufig von einem Lamento über den Zerfall der Städte, der Rede von dem "Scheitern der multikulturellen Gesellschaft" sowie der Hervorhebung ethnisch-kultureller Differenzen als einem zentralen gesellschaftlichen Problem geprägt.

Diesem Ansatz setzen die Autoren einen erweiterten Multikulturalismusbegriff entgegen, der sich auf die städtische Vielfalt im weitesten Sinne bezieht. Zugleich wird hier vertreten, dass es trotz Konflikten und Risiken, trotz Ausgrenzung und Rassismus sehr wohl ein funktionierendes lebenspraktisches Miteinander, eine Selbstverständlichkeit im städtischen Alltagsleben, gibt, dass gerade die urbane Bevölkerung Kompetenzen entwickelt hat, trotz spezifischer "privater" Differenzen "öffentlich" miteinander umgehen zu können.

Book 14

• .Ausgegrenzt. eingesperrt. abgeschoben" - der Titel bezeichnet die Etappen in den Jugendbiographien. die in diesem Buch herausgearbeitet werden. Die Lebensläufe der Jugendlichen sind geprägt von gesellschaftlichen Strukturen. in denen sie von Anfang an als unerwünscht behandelt werden. Durch die Ab­ schiebung wird ihre Marginalisierung in vielen Fällen zum logischen Ende gebracht - in Form einer endgültigen Ausgrenzung aus der Gesellschaft. Der Positionierungsprozess dieser Jugendlichen mit Migrationshintergrund ist das Ergebnis einer .. Sonderbehandlung" durch die relevanten gesellschaftlichen Repräsentanten sozialer und strafrechtlicher Kontrolle. Auch die Medien leisten ihren Beitrag dazu. wenn sie mit ihren Meldungen über die Zunahme der Ju­ gendkriminalität. insbesondere von Jugendlichen mit Migrationshintergrund. ein beunruhigendes Bild schaffen. Befasst man sich mit dem Thema genauer. so wird bald deutlich. dass wir es eigentlich mit drei .,Problemkreisen" zu tun haben. die hier in Szene gesetzt werden: Erstens sind es die • .Ausländer". die unser Zusammenleben bedrohen. Zweitens sind es die .,Kriminellen". die unsere Sicherheit gefáhrden. Und drittens sind es die .Jugendlichen". die zunehmend orientierungsloser und gewalttätiger erscheinen und damit die Zukunft der Gesellschaft in Frage stel­ len. Hier wird ein sehr dichtes und wirkungsvolles Szenarium aufgebaut. in dem sich unterschiedlich gelagerte Ängste der Bevölkerung miteinander verbinden und gegenseitig hochschaukeln. Was daraus entsteht. ist eine in aller Öffentlich­ keit verbreitete Vorstellung von diesen Jugendlichen als Bedrohung. die eine beträchtliche gesamtgesellschaftliche Relevanz und Reichweite erlangt. Sie wirkt in den politischen genauso wie in den akademischen Bereichhinein und bestimmt oft genug das Alltagsbewusstsein der Bevölkerung.

Book 20

Urbanes Zusammenleben

by Wolf-Dietrich Bukow

Published 8 October 2009
Das urbane Zusammenleben beschäftigt die Menschen, seitdem sich Städte e- wickelt haben. Aber es beschäftigt sie trotz aller gesellschaftlicher Veränder- gen offensichtlich weniger in der Alltagspraxis als vielmehr in der Öffentlichkeit und in politischen Debatten. In der Alltagspraxis herrscht trotz eines zunehm- den gesellschaftlichen Wandels eine relativ große Gelassenheit. In der Politik werden dagegen ständig neue Erkenntnisse und Positionen formuliert. Die poli- schen Deutungen weisen mitunter ein recht knappes Verfallsdatum auf. Man bekommt dabei den Eindruck, dass die Bevölkerung letzten Endes den Hera- forderungen oft eher gewachsen ist als zum Beispiel die Politiker. Um das zu erkennen braucht man nur einen Blick auf die einschlägigen Begrifflichkeiten zu werfen. Nimmt man den Begriff „Ausländer“, so wird das Problem schnell deutlich. Nachdem vor allem durch den Mauerbau 1961 die Ost-Westmobilität gestoppt wurde, hat man ganz massiv Menschen aus dem Mittelmeerraum angeworben. Da sie aber nur als zeitweiliger Ersatz für die „Flüchtlinge aus der damaligen DDR“ betrachtet wurden, benötigte man für sie einen spezifischen Begriff, der genau dies zum Ausdruck bringen sollte. Und da der historisch vertraute Begriff des „Fremdarbeiters“ durch den Nationalsozialismus diskreditiert war, schien zunächst der Begriff „Gastarbeiter“ optimal. Er stellte ein dem Nachkriegsze- geist geschuldetes politisch korrektes funktionales Äquivalent dar. Und als dann die „Gastarbeiter“ blieben, wurde daraus der Begriff „Ausländer“, der sich - nächst in der Öffentlichkeit, dann aber auch im Alltag durchsetzte. Der „Gast- beiter“ war ja jetzt nicht mehr automatisch Arbeiter, sondern zunehmend häufig auch Arbeitsloser.




Jugend am Rande der Stadt

by Sonja Preissing

Published 12 September 2018
Die gesellschaftliche Konstruktion der „Jugend am Rande der Stadt“ wird in einem vielschichtigen Prozess hergestellt. In der vergleichenden Studie zu Deutschland und Frankreich untersucht die Autorin, wie unterschiedliche Akteurinnen und Akteure der Sozialen Arbeit, kommunalen Politik, Medien und auch Jugendliche selbst daran beteiligt sind. Am Beispiel von Köln und Lyon kommen die Spannungsfelder und Ambivalenzen in den Blick, in denen sie unter den Bedingungen städtischer Ungleichheit agieren und gleichzeitig Transformationsprozesse in Bewegung bringen. Die Autorin arbeitet einerseits räumliche Aneignungsprozesse und Strategien Jugendlicher gegen städtische Ausgrenzung und andererseits die Handlungsfelder und das Wissen der Akteurinnen und Akteure heraus.