Was ware die Philosophie ohne die Religion? Sie ist sicherlich aus ihr entstanden, denn die Idee eines von wohlwollenden Machten oder mit Vernunft regierten Kosmos wurde von der Religion vorgebildet, bevor sie zum stillschweigenden Leitfaden der philosophischen Wahrheitssuche wurde. Aus ihr nahrte sich die Evidenz eines Endziels des Lebens, das die Philosophie auch ubernahm, als sie selber eine Art Weisheit ausarbeiten wollte, wohl wissend, dass alle Weisheitslehren aus der Religion stammten. Freilich wehrte sich die Philosophie von Anfang an gegen das, was ihr in der religioesen UEberlieferung als willkurlich oder anstoessig erschien. Ihre Beziehung zur Religion war also immer die einer Entmythologisierung, die bei gewissen Denkern konsequent zu einer systematischen Religionskritik entwickelt wurde. Damit wendeten aber die Philosophen auf die UEberlieferung ein Vernunftigkeitskriterium an, das von der Religion selbst vorgespielt wurde: Es gibt kaum eine Religion, die nicht mithilfe dieses Massstabes eine fruhere oder andere hatte kritisieren, abloesen oder vollenden wollen. Es erscheint schwer, ja unmoeglich, eine oder gar die Religion uberhaupt anzuprangern, wenn man nicht selber eine bessere in Aussicht stellt.Die meisten Philosophen haben immer anerkannt, dass die Weisheitslehre der Religion der Philosophie vorausging. Deshalb gingen ihre Denkansatze stets mit einer behutsamen Religionsphilosophie einher, die heute nur vergessen wird und deren Grundzuge Jean Grondin rekapituliert. Denn die Religion bietet seit alters her die starksten, meist geglaubten und diskutierten Antworten auf die Frage nach dem Sinn des menschlichen Treibens, und sie tut es mit unendlich mehr Wirksamkeit als jede Philosophie. An diese der Religion innewohnende Philosophie und ihre sinnvolle Seinserfahrung, die zu denken gibt, will dieses Buch erinnern.
- ISBN13 9783161506253
- Publish Date 16 February 2012
- Publish Status Active
- Publish Country DE
- Imprint JCB Mohr (Paul Siebeck)
- Format Paperback
- Pages 160
- Language German