Das politische Theater der zwanziger Jahre, als dessen zentraler Vertreter Erwin Piscator (1893-1966) gilt, wurde in den Inszenierungen der Berliner Piscatorbuhnen zwischen 1927 und 1931 zum theatergeschichtlichen Ereignis. Nach Piscators Ruckkehr aus der New Yorker Emigration in die Bundesrepublik im Jahr 1951 erscheint ein bruchloses Anknupfen an seine spektakularen theatralen Verfahren der Weimarer Republik ausgeschlossen. Als Piscator in den sechziger Jahren die Intendanz der Freien Volksbuhne in West-Berlin ubertragen wird, leitet er mit einer Serie couragierter Inszenierungen die AEra des Dokumentartheaters ein. Mit der Urauffuhrung von Rolf Hochhuths umstrittenem "Stellvertreter" und der Werke Heinar Kipphardts und Peter Weiss' wird das Theater abermals zum Brennspiegel seiner Zeit.

Die erhebliche Provokanz des politischen Theaters der sechziger Jahre besteht dabei nicht in einer parteinahen Inszenierungspraxis, sondern vielmehr in Piscators beharrlicher Fursprache fur eine Aufarbeitung der NS-Vergangenheit und fur eine Deeskalation wahrend des Kalten Kriegs. Ausgehend von den Umstanden, unter denen der Regisseur 1951 die Vereinigten Staaten verlassen muss, zeichnet die vorliegende Untersuchung ein prazises Profil von Piscators interventionistischer spater Theaterarbeit und vergleicht diese im Sinne inszenierungsorientierter Theatergeschichtsschreibung mit Piscators stilbildenden Inszenierungen der zwanziger Jahre.