Book 28

Die Zeit des Dritten Reichs stellte die alttestamentliche Wissenschaft vor die Existenzfrage. Die voelkische Ideologie, die mit der nationalsozialistischen Machtubernahme staatstragend geworden war, verwarf die Schriften des Alten Testaments als judisches Buch. Die alttestamentliche Wissenschaft sah sich deshalb gezwungen, ihre Arbeit inhaltlich und theologisch zu legitimieren. Viele Alttestamentler versuchten daher, eine bleibende Bedeutung des Alten Testaments mit der in ihm zum Ausdruck kommenden besonderen Stellung des Volksgedankens zu begrunden.Cornelia Weber untersucht die Entstehung des voelkischen Gedankens und den sogenannten 'Streit um das Alte Testament'. Sie konzentriert sich dabei auf Person und Werk des Alttestamentlers Johannes Hempel (1891-1964), der sich als Professor fur Altes Testament und als Herausgeber der Zeitschrift fur die alttestamentliche Wissenschaft in der Zeit der Weimarer Republik einen Namen gemacht hat. Der Weg seines politischen Engagements fuhrte Johannes Hempel 1933 zu den Deutschen Christen und machte in der Nachkriegszeit eine wissenschaftliche Karriere weitgehend unmoeglich. Vor diesem Hintergrund reflektiert Cornelia Weber das wissenschaftliche Werk Hempels und macht deutlich, wie sehr sich in der Auslegung des biblischen Volksbegriffs wahrend des Nationalsozialismus wissenschaftliche Fragestellungen mit biographischen und politisch-zeitbedingten Aspekten verbanden. Johannes Hempel sah namlich keinen Widerspruch zwischen seiner Arbeit am Alten Testament und seinem politischen Engagement fur den nationalsozialistischen Staat. Er entnahm den alttestamentlichen Schriften den goettlichen Auftrag, sich fur die eigene Volksgemeinschaft verantwortlich zu fuhlen.