Book 90

Der Topos des Neuen Menschen gehorte zu den zentralen Elementen der sowjetischen Ideologie und Propaganda, die allerdings spatestens seit den siebziger Jahren ihre ursprungliche mobilisierende Funktion kaum mehr erfullten. Die Wurzeln dieses Topos, dessen Hohepunkt in die Periode von Stalins forciertem -Aufbau des Sozialismus an allen Fronten- fiel, reichen bis weit in die vorrevolutionare russische Geistesgeschichte zuruck. Anhand von literarischen Quellen versucht die Studie aufzuzeigen, welche geistesgeschichtlichen Diskurselemente des 19. Jahrhunderts zur Entstehung des Topos vom Neuen Menschen beitrugen und wie sich diese im Umfeld von Oktoberrevolution und russischem Burgerkrieg, wahrend des Stalinismus und bis zum Zusammenbruch der Sowjetideologie entwickelten.
Zur Untersuchung gelangen einerseits belletristische Quellen, etwa Nikolaj Cernysevskijs politischer Aufklarungsroman "Was tun"?, das Fruhwerk Maksim Gor'kijs, Boris Pil'njaks Burgerkriegsroman "Das nackte Jahr," Michail Solochovs fruhe Erzahlungen, Aleksandr Fadeevs Partisanenepos "Die junge Garde," Aleksandr Solzenicyns Erzahlung "Ein Tag im Leben des Ivan Denissowitsch" oder Aleksandr Zinov'evs Erzahl-Essay "Homo sovieticus," andererseits Parteidokumente, Reden Stalins und anderer politischer Fuhrer, die Autobiographie des Arbeiterhelden Stachanov sowie Erzeugnisse der sowjetischen Sozial- und Geisteswissenschaften."