Book 11

Seit vielen Jahren bearbeiten wir in unserem Laboratorium ein- gehend alle Fragen, die mit der Stofftrennung auf destillativem Wege in Verbindung stehen. Da in der Praxis auch in einfachen Fallen die Bedingungen fur den Eingangszustand im allgemeinen nicht gleich blei- ben, gelingt eine rein rechnerische Behandlung des Trennvorganges allein fast nie. Der sicherste Weg fuhrt auch heute noch stets vom Laborversuch uber die "Pilot Plant" zur Grossanlage. Um nach den Versuchsergebnissen des Laboratoriums und des Technikums auf technische Dimensionen ubertragen zu koennen muss man einerseits in den betreffenden Massstaben uber Versuchsmodelle verfugen, die eine zuverlassige UEbertragung auf groessere Abmessungen sowohl hinsichtlich des Durchsatzes als auch im Hinblick auf die Wirksamkeit gestatten, und andererseits aus der Fulle der sich bietenden Versuchsmoeglichkeiten durch Vorausberechnung be- reits eine Auswahl treffen. Modelle zur Durchfuhrung derartiger Versuche im Laboratoriums- und Technikumsmassstab wurden in den letzten Jahren im Fachschrifttum mehrfach beschrieben. Dagegen liegen verwert- bare Angaben uber das Destillationsverhalten bisher nur fur eine geringe Zahl von Gemischen vor. Besonders gilt dies hinsichtlich des Einflusses von Spurenbeimengungen, die, wie wir heute wissen, das Destillations- verhalten und damit die Trennbarkeit in vielen Fallen entscheidend beeinflussen koennen. Zur Festlegung des Aufarbeitungsschemas fur ein neueres Trenn- problem werten wir vor Beginn jeder Wirksamkeitsberechnungen oder Versuche, zunachst einmal alle uns aus der Literatur zuganglichen An- gaben uber das Gleichgewichtsverhalten der im Ausgangsgemisch ent- haltenen Komponenten aus.

Book 13

Wahrend seit mehr als 2000 Jahren zum Stoffaustausch zwischen aufsteigenden Dampfen und herablaufender Fliissigkeit zunachst vor aHem Rieselkolonnen herangezogen wurden, benutzt man heute hierfur bevorzugt die viel jungeren Boden-und FuHkorpersaulen, die beide erst im Verlaufe des 19. Jahrhunderts geboren wurden. Die Bodenkolonnen gehen auf CELLIER-BLUMENTHAL zuriick, der sie bereits zu Beginn des vorigen Jahrhunderts zu hoher VoHkommenheit entwickelte. In der Folgezeit wurde dieser Kolonnentyp nicht nur apparativ verbessert, sondern gleichzeitig wurden auch die Grundlagen seiner Arbeitsweise sowohl experimentell als auch vom theoretischen Standpunkt aus im Rin blick auf die Art des Stoffaustausches eingehend untersucht. Riel'- von zeugen neben einer Fiille von Zeitschriftenveroffentlichungen und Patentschriften zahlreiche zusammenfassende DarsteHungen in Buchform. Ganz anders liegen die Verhaltnisse fiir Fiillkorperkolonnen. Saulen mit SchiittfiiHungen wurden in die Technik durch ILGES 1873 eingefiihrt. Gegeniiber Bodenkolonnen konnten sie sich erst behaupten, nachdem sich RASCHIG durch die Entlassung eines Chemikers veranIaBt fUhIte, das Geheimnis seines Erfolges mit dem von ihm entdeckten und seither nach ihm benannten Raschig-Ring zu verbffentlichen. Riickblickend ist es interessant, daB die technische Fullkorpersaule auf dem Gebiet, fur das sie ihr Erfinder IWEs benutzte - namlich dem der kontinuierlichen Trennung engsiedender Gemische - auch heute noch nur ungern Ver- wendung findet. Der Grund liegt in ihrer durch den geringen Arbeits- in halt bedingten Neigung zur Instabilitat. Das Verdienst RASCHIGS be- steht nicht nur in del' Erfindung del' nach ihm benannten Ringe, sondern liegt VOl' aHem in der weisen Beschrankung del' mit ihnen durchgefiihrten Aufgaben.